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Interview: Dr. Chris Leatt

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Beim Grand Prix von Belgien war Dr. Chris Leatt zu Gast – der Gründer eines der erfolgreichsten Unternehmens im Action-Sport-Bereich. Leatt ist führender Hersteller von Nackenschützern. MX Vice bat Dr. Chris Leatt zum Gespräch.

MX Vice: Als du mit MotoCross-Fahren anfangen wolltest, hat dich dein Vater in eine Rücken-Klinik gebracht, um dir Angst zu machen. Stimmt das? Wie bist du zu diesem Sport gekommen?

Dr. Chris Leatt:Ich bin medizinisch ausgebildet und Motorräder haben in meinem Leben immer eine wichtige Rolle gespielt. Das kombiniert, brachte mich dazu, die Nackenschützer zu bauen. Mein Vater hat damals gedacht, dass mein Leben wohl so endet. Als ich 15 war, haben meine Eltern davon geredet, Dinsey World in den USA zu besuchen, aber ich wollte lieber Rennen in Cape Town schauen.

Dort habe ich mich verliebt. Ich half einem Freund in der Box und habe an seinem Motorrad geschraubt. Das war’s geschehen, da war ich 100-prozentig infiziert. Mein Vater ist ziemlich konservativ und hat mit Motorsport nicht viel am Hut. Ich habe ihn gefragt, ob ich das Geld für die Reise von ihm bekommen und mir stattdessen ein Motorrad kaufen kann. Meine Eltern sahen mich fassungslos an.

Sie waren einverstanden, aber ich musste einen Monat in der Rückenklinik arbeiten um mir anzusehen, was den Leuten passiert, die dumm genug waren, Motorräder zu fahren. Dort sollte ich diese Flauseln verlieren und dann wäre alles gut. Aber so kam es nicht. Ich war einen Monat da, fand es interessant und es hat mich gar nicht gestört! Damals wusste ich aber noch nicht, dass das in meinem Leben mal eine Hauptrolle spielen würde. Ich kaufte mir ein Motorrad und fing mit 17 an, Rennen zu fahren.

Wie haben deine Eltern reagiert, als das mit der Klinik nichts gebracht hatte?

Nun, Hut ab vor meinen Eltern! Zu dem Zeitpunkt hatten sie mehr Visionen als ich. Hut ab, dass sie mich machen lassen haben, auch wenn sie dachten, dass das nicht gut für mich sei. Später wurde das ja meine Lebensgrundlage, das konnte ich damals noch nicht wissen. Nachdem ich beim Unfall von Alan Selby geholfen und versucht habe, ihn zu reanimieren, war das ja keine Geschäftsidee. Da ging es mir um eine Problemlösung.

Das hat dann eher als akademische Übung angefangen. Vektoren der Verletzungen, Kräfte, die gewirkt haben, Klassifizierung der Verletzungen, Gespräche mit Biometrischen Ingenieuren, Rücken-Chirurgen und meinen Kollegen. Da ging es nicht ums Geschäft. Irgendwann kam ich an den Punkt, dass etwas entwickelt werden könnte. Das erste Brace habe ich um den Nacken meines Vaters entwickelt, aus Plastik und Schaum. Seither haben wir einige Male zusammen gelacht, wie sich mein Leben verändert hat.

Kannst du uns ein paar mehr Details zu dem Unfall verraten, bei dem du dabei warst und wie dich das inspiriert hat?

Mein Sohn war damals vier und war zwei Wochen davor das erste Mal eine 50er gefahren. Er hatte ein fettes Grinsen im Gesicht. Er kam von der Straße ab und fuhr in einen Busch. Wir haben ihn wieder drauf gesetzt und er sagte dann zu mir: Wenn Kinder fahren, musst du die an die Hundeleine nehmen, damit du die Geschwindigkeit kontrollieren kannst. Aber er hatte Spaß. Wir sind dann zu einem Enduro-Event, es gab keine Chance, dass ich da fahre, aber wir wollten es uns ansehen.

Auf dem Parkplatz war ein Sanitäter, den ich immer in der Notaufnahme sah, wenn er Patienten brachte. Wir sind ins Gespräch gekommen. Dann kam einer den Berg runter und meinte: Alan ist gestürzt, es sieht nicht gut aus. Der Sanitäter fragte mich, ob ich mitkommen und wir sind mit einem 4X4 den Berg hoch, haben Alan gefunden. Es sah nach einem langsamen Sturz aus, über den Lenker geflogen. Ich dachte, dass er sich das Genick gebrochen hat. Wir hatten alles dabei um zu versuchen, ihn zu reanimieren. Leider ist uns das nicht geglückt.

Am Ende musste ich seiner Familie, seiner Frau und den Kindern, sagen, dass er gestorben war. Danach habe ich mir den Autopsie-Bericht geholt und wie ich vermutet hatte: Er hatte sich das Genick an zwei Stellen gebrochen. Und dann der Fakt, dass mein Sohn fuhr – da habe ich mir gesagt, dass ich ihn nicht solchen Gefahren aussetzen kann und dass wir dafür eine Lösung brauchen. Je mehr ich dann geforscht habe, desto weniger konnte ich glauben, dass noch niemand irgendwas in der Richtung unternommen hatte.

Das einzige, was es da gab, waren Krausen aus Schaum – und bei Tests haben wir später gezeigt, dass die eigentlich gefährlicher sind, als ohne sie zu fahren. Dann haben wir mit dem Brace angefangen. Wenn der Helm am Brace anschlagen kann und damit die Kräfte reduziert werden, dann kommt der Kopf nicht in den Bereich, wo die Verletzungen auftauchen.

Da brauchtest du aber auch Selbstvertrauen – denn wenn es nicht funktioniert hätte, hättest du heftige Vorwürfe abbekommen.

Als wir mit den Prototypen angefangen haben und das langsam ein Business-Modell wurde, da brauchst du Selbstvertrauen – wenn du das nicht hast, stellst du sowas nicht auf die Beine. In den USA brauchst du mit sowas nicht anzufangen, die werden dich belangen. Wir wären bisher mehr als 15 Mal belangt worden. Bei mir war der Vorteil, dass ich als Arzt viele dieser Verletzungen kannte und eine große Leidenschaft für Motorräder habe. Das musste ich kombinieren.

Ich habe dabei aber immer gesagt, dass wenn beim Testen Zweifel aufkommen und das Brace gefährlich ist oder möglicherweise Verletzungen heraufbeschwört anstatt sie zu verhindern, dass wir es vom Markt nehmen und das Projekt sofort stoppen. Dann wäre ich sofort wieder in die Medizin gegangen. Derzeit ist der Standpunkt der: Wenn ich es meinem Kind nicht umschnallen würde, geht es nicht auf den Markt.

Gab es einen Punkt, als du kurz davor warst das Handtuch zu werfen?

Da gab es einige Male. Es sind viele Herausforderungen zu meistern. Geldfluss, Geschäftsabläufe, die richtige Firma finden. Wir hatten alles. Wir haben auf kleiner Flamme in Südafrika produziert, hatten Probleme mit Mitarbeitern, mit Material und mit der Software-Integration. Das größte Problem hatten wir im South African Bureau Standards, einem Test-Center für Automotive-Parts.

Dort gab es richtig alarmierende Ergebnisse, da mussten wir echt nachdenken. Da hatten wir dann noch einen Professor, der geholfen hat, die dortigen Ergebnisse richtig einzuordnen.

Wir haben dann gemerkt, das wir den falschen Test gemacht haben. Als wir das Testverfahren gewechselt haben, waren die Ergebnisse da. Wir haben das Brace als Erste entwickelt, ohne Standards und wir mussten unsere eigenen Teststrecken bauen. Wenn ich das damals aber woanders als in Südafrika gemacht hätte, wäre das richtig teuer geworden.

Als du das erste Neck-Brace in der Hand hattest, hattest du da das Gefühl, dass es noch weiter geht oder dass es DAS Teil ist? Bist du überrascht, wie weit die Entwicklung heute noch gegangen ist?

Sicher! Am Anfang ging es um die Problemlösung. Ein Neckbrace, welches man komfortabel tragen kann und was bei Tests die richtigen Ergebnisse bringt. Damals hätte ich mir aber nicht ausmalen können, wie umfassend die Produktpalette mal werden würde. Damals sah ich noch Potenzial dieser Technik bei Knien und anderen Körperteilen.

Ich habe mir damals eine Liste gemacht. Die haben wir abgearbeitet. Jetzt, 15 Jahre später, steht da fast nichts mehr drauf. Das heißt aber nicht, dass in Zukunft nichts mehr kommen wird. Wir haben jetzt zehn Patente. Wenn ich heute ins Ausland fahre und sehe, dass die Leute unsere Produkte tragen oder das Leatt Logo prangert da irgendwo, dann muss ich mich immer selbst kneifen. Das ist ziemlich verrückt.

Glaubst du, dass bei den Neck-Braces jetzt ein wenig das Ende der Fahnenstange erreicht ist, bis vielleicht neue Materialien oder Forschungsmöglichkeiten raus kommen?

Bei dem Brace geht es darum, wirkende Kräfte so umzuleiten, dass der Nacken geschützt wird. Bislang haben wir keine andere Möglichkeiten gefunden, das Neck-Brace besser zu machen, was seine Funktionalität angeht und die Hauptsache ist, warum es das gibt: Den Nacken vor Verletzungen schützen, Schlüsselbeinverletzungen vorzubeugen und den Kopf vor Verletzungen zu schützen. Das sind zwei weitere Vorteile des Nackenschützers.

Ich denke der nächste Schritt wird ein Homologations-Verfahren und die Rennsportverbände werden dann einen Standard entwickeln lassen. Derzeit ist nun glaube ich unwiderruflich bewiesen, dass sie funktionieren. Das hat auch eine Studie bewiesen – die EMS Action Sport Studie hat sich die klinischen Daten von fast 10.000 Fahrern in 10 Jahren angeschaut. Das ist eine ganze Menge an Daten und wenn du dann am Ende das Feedback bekommst, dass es zu 89 Prozent weniger zu einem Genickbruch kommt, wenn du ein Neck-Brace trägst, dann sind diese Zahlen schwer zu ignorieren.

Ich denke die nächsten Schritte auf dem Markt werden Anpassungen an Standards sein. Bei der Technik selbst haben wir ein ziemlich komplexes Labor und wir entwickeln ständig weiter. Zukünftig wird sich das, denke ich, Neck-Brace in Anpassung und Form mehr verändern, vielleicht noch in der Funktionalität, aber eine radikale Abkehr von dem, was wir jetzt haben, kann ich nicht erkennen. Die werden noch ästhetischer, ansprechender, tragbarer und passungsfähiger werden.

Glaubst du, dass bei den Neck-Braces jetzt ein wenig das Ende der Fahnenstange erreicht ist, bis vielleicht neue Materialien oder Forschungsmöglichkeiten raus kommen?

Bei dem Brace geht es darum, wirkende Kräfte so umzuleiten, dass der Nacken geschützt wird. Bislang haben wir keine andere Möglichkeiten gefunden, das Neck-Brace besser zu machen, was seine Funktionalität angeht und die Hauptsache ist, warum es das gibt: Den Nacken vor Verletzungen schützen, Schlüsselbeinverletzungen vorzubeugen und den Kopf vor Verletzungen zu schützen. Das sind zwei weitere Vorteile des Nackenschützers.

Ich denke der nächste Schritt wird ein Homologations-Verfahren und die Rennsportverbände werden dann einen Standard entwickeln lassen. Derzeit ist nun glaube ich unwiderruflich bewiesen, dass sie funktionieren. Das hat auch eine Studie bewiesen – die EMS Action Sport Studie hat sich die klinischen Daten von fast 10.000 Fahrern in 10 Jahren angeschaut. Das ist eine ganze Menge an Daten und wenn du dann am Ende das Feedback bekommst, dass es zu 89 Prozent weniger zu einem Genickbruch kommt, wenn du ein Neck-Brace trägst, dann sind diese Zahlen schwer zu ignorieren.

Ich denke die nächsten Schritte auf dem Markt werden Anpassungen an Standards sein. Bei der Technik selbst haben wir ein ziemlich komplexes Labor und wir entwickeln ständig weiter. Zukünftig wird sich das, denke ich, Neck-Brace in Anpassung und Form mehr verändern, vielleicht noch in der Funktionalität, aber eine radikale Abkehr von dem, was wir jetzt haben, kann ich nicht erkennen. Die werden noch ästhetischer, ansprechender, tragbarer und passungsfähiger werden.

Leatt hat als Unternehmen mit leidglich Nackenschützern schon funktioniert und jeder hat das Neck-Brace mit Leatt in Verbindung gebracht. War es für euch ein größeres Risiko mit den ganzen anderen Schützern anzufangen, als das reine Nackenschoner-Unternehmen?

Am Anfang wussten wir nicht viel über das Business, da musste ich viel fragen und lernen. Aber es war einfach, denn ich hatte eine Vision, ein Ziel und ich wollte das erreichen. Wenn man sich dann die anderen Produkte anschaut, kommt Mathematik ins Spiel. Macht das Sinn? Ist das Segment lohnenswert? Wir hatten nur die Neck-Braces, waren keine Bedrohung für andere Firmen. Jetzt, wo wir von Kopf bis Fuß ausrüsten, ist das für andere Hersteller eine Konkurrenz und das verändert das Business.

Für die Knieschoner haben wir immense Investitionen gebraucht – und dann wussten wir auch, dass sie nicht passen und nicht gerade bequem zu tragen sind. Wenn die kaputt gehen, kann dich das an den Ruin treiben. Das war unser Produkt mit dem größten Risiko. Wir haben ein paar Fehler bei der Materialwahl gemacht. Überlebt haben wir das, weil wir die Knieschoner stetig weiter entwickelt haben. Für mich ist es ein faszinierendes Produkt.

Die Grundfrage war, ob es eingesetzt wird, weil das Knie nach einer alten Verletzung stabilisiert werden soll, oder weil die Jungs sich nicht am Knie verletzen wollen. Und wir wollten etwas Effektives bauen. Wir haben mit Knie-Chirurgen zusammen gearbeitet. Das ist ziemlich komplex.

Wir haben ein Gelenk in die Mitte gebaut, mit dem man das Gefühl für’s Motorrad behält. Damit sind wir die einzigen am Markt.

Werdet ihr irgendwann mehr andere Schützer verkaufen, als Neck-Braces?

Absolut. Am Anfang haben wir 100 Prozent Nackenschoner verkauft. Das wird geringer im Vergleich, auch wenn die Absatzzahlen beim Neck-Brace derzeit steigen. Aber der Prozentsatz am Gesamtumsatz wird weniger. Natürlich haben wir andere Produkte nun auch, aber das Brace bleibt das Flaggschiff.

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MX Vice Editor || 25